KUNST DER BASTAR – STAMMESVOLK AUS INDIEN

Eigentlich eine recht vertraute Sache, wenn man in diesen Breiten des weiten südöstlichen Asien eine gewisse Erfahrung und Kenntnis von den Stämmen hat, wie sie aussehen, wie sie gekleidet sind, wie sie hausen, wie die Natur aussieht, in der sie wie eingebettet leben, die sie nährt und zugleich versteckt hält. Es sind großartige Abenteuer, durch die Urwälder zu fahren, besser gesagt zu gleiten, denn das Boot ist noch immer das beste Mittel, voranzukommen. Die vielen Stämme unterscheiden sich, was man aber zu allererst wahrnehmen wird, sind ihre Kleidung und der Schmuck, das vermag – an Qualität, Extensität, in Einzelheiten – doch sehr unterschiedlich auszufallen. Viele der Stämme haben ihren ganz unverkennbar eigenen Charakter. In Indien wurden die Bastar und die Kondh weitum bekannt für ihre Geräte und Skulpturen aus Bronze, die dort mit einigem Geschick gegossen wurden. Für diese Kunst des Gießens genießen diese Gegenden aber eine Einzigartigkeit, die andere Stämme nicht zu bieten haben. Wo aber genau sind „die Bastar“ zu Hause, wo ist ihr Lebenskreis, der Wirkbereich ihres eigentümlichen Schaffens zu umgrenzen? Das Eigentümliche, Eigenwillige, Seltsame, irgendwie stets irrational und von Phantasmen durchmischt in Erscheinung tretende ist eine unübersehbare Tatsache, zugleich aber eine höchst erbauliche Überraschung.

Es ist doch sehr bizarr – uns selbst sind die Bastar (oder Kondh) seit vielen Jahren einigermaßen vertraut, irgendwie fühlen wir uns fast schon von ihnen wie aufgenommen – obwohl wir noch nie dort – in ihrer Region – gewesen sind. „Bastar“ ist ja auch leicht zu behalten, ich erinnere nur an das „basta, basta“ in so vielen komischen Opern aus Italien, ist geradewegs vertraut, man braucht doch nur ein “r” anzuhängen, die „Bastar“ somit gar kein richtiges Fremdwort … Wir befinden uns ziemlich genau im Kern Indiens, das insgesamt – von ganz oben bis ganz untenhin – eine Form hat, die annähernd einer Mangofrucht ähnelt. Nur ist der „Kern“ – die Region der Bastar – wesentlich kleiner als vergleichsweise der Mangokern es wär. Ziehen wir zwei mittlere Linien durch Indien, eine vertikale, eine horizontale, wir weben somit ein Fadenkreuz. So liegen die Bastar von diesem Kreuzungspunkt ein wenig südlicher und etwas östlich. Würde man von Bombay auf horizontaler Linie Richtung Osten wandern, so käme man in den südlichen Bereich der Bastar. Hätte man noch die Kraft in den Beinen weiter zu ziehen, so käme man (nach ungefähr 200 km) an die Küste der Bucht von Bengalen. Die Region der Bastar liegt also genau zwischen den Grenzen von Maharashtra und Orissa, geradezu wie eingeklemmt, innerhalb eines nach Süden sich erstreckenden Fortsatzes vom Bundesstaat Madha Pradesh. Die genannten Kondh schließen an die Bastar östlich an, ihr Lebensraum liegt aber bereits im indischen Bundesstaat Orissa. Die südliche Grenze der Bastar-Region stößt an Andhra Pradesh. Siehe die auf der nächsten Seite  abgebildete Karte.

Es seien ein paar wichtige Dinge hervorgehoben und vorangestellt. Die reiche Abwechslung in den verschiedensten Formen der Wiedergabe als Bronze erweist das erste durchblättern der Bilder diesen Artikels. Die Motive wechseln dagegen nicht so sehr. Es wird sogleich auffallen, daß „Göttinnen“, ganz einfach stehend, oder in der recht ungewöhnlichen Darstellung „auf Schaukel“, also das Schaukelspiel genießend, ganz besonders beliebt sind. Beinahe wirft der Verdacht seinen Schatten, daß hier für den süßlichen „Geschmack“ touristischer Massen ein gut verkäufliches Motiv produziert wurde. Heute vielleicht, oder es ist sogar sehr wahrscheinlich, zur Hollywoodschaukel eine Göttin auf Schaukel im Garten. Die Eigentlichkeit des Motivs aber betreffend (und unsere Beispiele bezogen auf Ihre Provenienz) – nein! Denn die Schaukel, Jhula genannt, auf der die Göttin sitzt, ist kein Spielzeug! Die Bronzen der Bastar sind ohne Ausnahme kultbezogen, d.h. ihre Destination ist ausschließlich der Kult. Und wenn Elefanten auf Rädern fahren, dann ist es kein Spielzeug, ein „Zeug“ schon, aber eben ein „Himmelsfahrzeug“ und nichts anderes, ein Vahana also, ein Vehikel. Bronzen sind für die Bastar eine Kostbarkeit gewesen. Aus unserer völlig übersaturierten, diesbezüglich bereits jämmerlich deformierten Sichtweise ist das kaum mehr einigermaßen adäquat zu beurteilen, es ist aber sehr notwendig, um die Besonderheit dieser gegossenen Werke zu erfassen. Ein Weiteres sei hervorgehoben, es betrifft die Ikonographie, also die Erklärung der Bildwerke, den mythologischen Inhalt. Er ist manchesmal sehr einfach und hat irgendwie Prägnanz, ist sehr oft aber mehr verschleiert, nicht wirklich zu enträtseln (bzw. zu „definieren“) und vielfach reduziert auf eben nur „Göttin“ oder „Gottheit“ oder „Krieger zu Pferd“, wobei es sich um doch keinen normalen „Krieger“ handelt, sondern um eine lokale „Schutzgottheit“. Auch ist nicht immer vollkommen überzeugend zwischen einer Göttin und einer eher männlichen Gottheit zu unterscheiden. Die Zustände schweben – in einer Art Lichtwolke, erfüllt vom Mysteriösen, aber wenig weit über dem Boden, sie erreicht kaum die Krone der Bäume, so scheint es, so sehr grundsätzlich erdbezogen ist diese kleine Welt tiefer Empfindungen. Aber das hat für uns seine ausgesprochen eigenen, sehr eigenen! – Reize, siehe im nächsten Absatz.

Göttin mit Dreizack

Göttin mit Dreizack

Erdbezogenheit, ja, immer steht das mit einer Erdgöttin, ein Allmutter der Natur, die mit der Erde, dem Fruchtboden, gleichgesetzt wird, in Zusammenhang. Von „oben“ (also vom Himmel), da kommen Sonne und Regen, aus der Erde räkelt und streckt sich aber, gedeiht alles Greifbare, das das Leben erhält, jedenfalls eine Zeit lang. Immerhin. Nehmen wir uns das obere Bild, eine Göttin mit Dreizack vor. Ihre Schultern athletisch, oben exakt gerade, der ganze Oberkörper ein Dreieck, das zwar nach unten keine Spitze bietet, jedoch eine sehr enge Taille. Die dann in schon betörend breite Hüften übergeht. Säulen, kurz, stärkstens erdverbunden. Die Brüste? Die gewaltige Hakennase kündet rein gar nichts Feminines, die schmuckumflossenen Knöpfchen auf der Brust auch nicht. Manchesmal spitzer, weiter nach vor stechend, nur selten fülliger, auf der Umschlagrückseite, da ist ein richtiger „Busen“ vorhanden, aber das ist – es ist doch zum Schmunzeln! – auch keine richtige Gottheit. Die Attribute des oberen Bildes sind – man wird solche in anderen Bronzen des öfteren vorfinden – Dreizack und Federn vom Mayura. Wie man weiß, ist in Indien der Hinduismus vorherrschend. Die eigentliche „Naturreligion“ der Bastar ist natürlich animistisch, zugleich aber auch ein gewisser Einfluß, eine Bemerkbarkeit der großen brahmanischen Religion ebenso gegeben. Zwei Gottheiten aus ihr drängen sich unter den Darstellungen der Bastar in den Vordergrund, sich lassen sich hervorschälen, wenn der Zusammenhang auch nicht immer ganz glasklar ist. Es ist die Hochgottheit Shiva und seine Gattin Durga. In Nordindien ist der Dreizack Trisula das charakteristische Attribut des Shiva, der genannten Bronze und anderen Wiedergaben von Göttern macht er sich bemerkbar. Die Federn vom Pfau (Mayura – ein Glossar befindet sich am Katalogende) sind stilisiert, man könnte auch ganz anderes an ihnen erkennen, etwa einen kleinen Schellenbaum  oder einen dekorativ versüßten „Donnerkeil“. Aber es bleibt beim Mayura, es ist ein Bündel seiner Schwanzfedern, sie verkünden Unsterblichkeit, was einer Gottheit zweifelsohne zukommt. Nun figuriert der Pfau in den Bastar-Bronzen recht häufig, sei es als Feder oder in ganzer Gestalt. Zweifelsohne nimmt er die Position eines „Sonnenvogels“ ein, die ansonsten Garuda hat. Im Hinduismus ist der Pfau u.a. ein Begleittier der Shri Devi, einer Gattin des Vishnu. Möglicherweise spielt innerhalb dieser gewissen Armut an genaueren Konturen diese von irgendeiner Seite auch herein, jedenfalls kommt sie vor, nämlich in der seltsamen Gruppe der „Sieben Mütter“ (es sind natürlich Göttinnen), die sich – brav gereiht und mit winzigen Brüsten im unteren Bild befinden. Die Abbildung rechts erlaubt uns einen eindrucksvollen Blick auf Dreizack und Busch aus Pfauenfedern.

Verbleiben wir kurz bei den „Müttern“. Diese Sieben werden Saptamatrkas oder Saptamataras genannt, in jedem Fall handelt es sich um Shaktis aus dem Hinduismus. „Shakti“ könnte man ganz ernsthaft – nach der neumodischen Ausdrucksweise – als „Powerfrauen“ der Götter übersetzen. Beispielsweise finden sich unter ihnen Brahmani, Lakshmi, Indrani, Camunda etc. Als die Muttergottheit „par excellence“ (wie es im Iconographic Dictionary von Gösta Liebert steht) wird aber die Durga, Shakti von Shiva, bezeichnet. Und gerade sie scheint eine Lieblingsgottheit der Bastar zu sein, jedenfalls läßt sie sich immer wieder einigermaßen genau identifizieren, da sie etwas zu tun das Recht eingeräumt hat, das anderen nicht zusteht – wie das Reiten auf einem Elefanten (im rechten Bild zu sehen)> Sie ist eine Avatara (ein Erscheinungsbild) der Durga, dieser Gemahlin des Shiva. Sie hat bekanntermaßen eine Fülle an Namen und vermag sich in fast ebensolcher Fülle an Varianten zu zeigen, darunter auch furchterregende, eines ihrer vielen möglichen Attribute ist der Dreizack, auch das Schwert (Khadga) kommt vor, unter den Bastar-Bronzen überhaupt eine ausgewiesene Beliebtheit. Danteshvari ist nicht nur eine Muttergottheit (par excellence), sie ist auch stärkstens als „Erdgöttin“ identifiziert. So manche Darstellung, die man aufgrund unseres Triebes nach Präzisheit nur als „Göttin“ oder gar nur als „Gottheit“ titulieren kann, könnte durchaus eine Danteshvari sein. Aber eines der Probleme ist, daß sie eine Reihe von Schwestern hat, die alle als gewisse Muttergöttinnen figurieren. Aber es gibt ein sehr hübsches Entkommen aus diesem Dornendickicht – den Begriff „Mauli“. Er hat nichts mit unserem „Maul“ zu tun, obwohl man an so manchen Gesichtsdarstellungen von Gottheiten allzu gerne von einem „Maul“ (oder „Mauli“) sprechen würde. Mit Mauli bzw. Mauli Devi ist „Göttliches Mütterchen“ gemeint, eine Bezeichnung, die auch ganz allgemein für eine Göttin (Devi) angewendet sein kann. Danteshvari tritt als eine Art Staatsgöttin auf und als solche kann man sie Mundramauli nennen. Bemerkenswert ist, daß „Mauli“ genaugenommen das Höchste von allem ist, beispielsweise auch ein Juwel frontseits in einem Diadem, man kann es „Maulimani“ bezeichnen. Auch das passt zur Danteshvari.

Krieger zu Pferd

Krieger zu Pferd

Fast gewinnt man den Eindruck, sie ist ohne jede Konkurrenz, wie überhaupt die Göttinnen allgegenwärtig sind. Dann aber wieder wendet sich die Stimmung schlagartig, fast fühlt man sich in den Wilden Westen versetzt, ein einsamer Reiter trabt einher, er hält allerdings ein Schwert in einer Hand, stets mit gebogener Klinge. Das Roß meist trutzig, der Krieger auf ihm in makellos lotrechter Haltung. Das Schwert läßt sogleich an den „Vater des Schwertes“ denken, eine Bezeichnung für Khandoba, der auch „König des Schwertes“, Khanderaya, genannt wird. Er ist eine sehr verbreitete Gottheit und steht in engem Zusammenhang zu Shiva, er gilt als eine Avatara dieser Hochgottheit aus der Triade. Khandoba ist gerne auch mit einer seiner Gattinnen hoch zu Roß unterwegs. Sitzt sie hinter ihm, so ist sie Banai, befindet sie sich vor ihm, so ist sie seine erste Frau Mhalsa. Banai war eine wohlhabende Hirtin, sehr amüsant ist, wie er sie kennen lernte. Schon von ferne verliebte er sich in sie, trat in ihre Dienste, ward also ein Hirte, sodann erschlug er ihre angeblich 900.000 Schafe ausnahmslos. An diesem Akt hat Banai die Gottheit erkannt, erzählt die Legende. Das Blöken aller wieder ins Leben zurückgerufenen Lämmern soll sodann die Hochzeitsmusik gewesen sein … Bemerkenswert ist auch, daß zwischen Shiva und Rudra (möglw. der „Wilde“, eine alte Sturmgottheit) enger Zusammenhang besteht, eine schreckliche Form von Shiva wird auch als Rudra-Shiva bezeichnet), aber ebenso zu Khandoba und von diesem wiederum zu Rao, einer Schutzgottheit. Möglicherweise verlaufen hier Fäden von Rudra zu Rao. Eine sehr eindrucksvolle (als auch witzige) Darstellung von Rao, dessen Attribute Schwert und Schild sind, findet sich im oberen bild. Der „kleine“ Rao sitzt mit der krummen Klinge auf dem riesigen Pferd, dessen Kopf so ziemlich alles an Witz und Parodie übertrifft und – wie auch in der dortigen Beschreibung vermerkt – taucht zu aller Verblüffung der wahrhaftige Don Quijote vor unser Augen urplötzlich auf! Aber man wird eine ganze Menge an amüsanten Einzelheiten auffinden können, ein sehr typisches Merkmal fast aller Bastar-Bronzen, deren Facettenreichtum in dieser Beziehung im Amüsanten richtig schwelgen läßt. Einerseits erscheint dadurch auch die Ungenauigkeit der Ikonographie sehr verständlich, farbiges Spiel des Fabulierens und erfindungsreichen Veränderns stehen im Vordergrund, ebenso eine grundsätzlich naiv gestimmte Fröhlichkeit, die den Lebenskern bildet. Man darf aber nicht annehmen, daß Götter hier parodiert werden, also auf irgendeine Weise ins Lächerliche gezogen, der Witz steckt viel mehr in einer ganz unschuldigen Ausdrucksweise, die in dieser Stammesregion das Leben selbst ist, sein Herz und Pochen, das diese Kreationen hervorbringt.

Stehende Göttin

Stehende Göttin

Man wird im Dekor oder in bestimmten formalen Eigenheiten der Bronzen aus dem Stammesgebiet der Bastar immer wieder Ähnlichkeiten bzw. ziemlich stereotype Wiederholungen vorfinden, dazu zählen u.a. die oftmals so sehr dürren Arme, daß sie nichts weniger als grotesk wirken. Auch die überbreiten „Mäuler“ gehen in diese Richtung, aber es muß nicht immer so sein. Äußerst häufig vermag man den Spiralen zu begegnen, möglicherweise das häufigste Motiv, vermutlich ein von der Sonne abgeleitetes kosmisches und somit „göttliches“ Symbol. Die Khappar, Schalen, die für die rituelle Geschenkgebung an die Götter in Gebrauch waren, werden in Händen gehalten oder befinden sich – sehr eigenartigerweise – auf den Köpfen derer, denen geopfert wurde. Sie wirken (auf uns) eher als eine Kopfbedeckung oder so ähnlich, wie in manchen Ländern auch heute noch Frauen Körbe auf ihren Köpfen tragen und damit zu Markte spazieren. Aber diese Khappar sind in der Regel mit Spiralen versehen, manchesmal auch an ihren Rändern rundummit vielen kleinen verziert, wie die rechte Bild zeigt. Die Abbildung unten gibt das Ohr des Elefanten rechts daneben wieder, das auf seiner großen Fläche zwar keine Spirale bietet, aber von vielen kleinen auf verspielte Weise umrandet ist. Zur Spirale muß auch gesagt sein, daß sie sich von der Shankha ableitet, der Tritonsmuschel, die ein Attribut Vishnus ist (als Waffe hat er sie im Kampf gegen die Dämonen gebraucht), aber unter bestimmten Voraussetzungen auch von Shiva. Weiters ist sie ein gewichtiges Sinnbild der weiblichen Fruchtbarkeit, was gerade das obere Bild – diese stämmig-fruchtige Darstellung einer Göttin – sehr deutlich und wirkungsvoll erkennen läßt und die Spiralen auch als ein „göttliches, sonnengleiches Motiv“ hervorhebt.
 

Ohr des Elefanten

Ohr des Elefanten

Bild

War gerade von einem Elefanten die Rede, so sei bemerkt, daß unter den Bronzen der Bastar einige Tiere immer wieder vorkommen. Es sind nicht besonders viel verschiedene, anführend sind jedenfalls der Elefant und das Pferd, sodann der Pfau. Weniger oft treten der in Indien weitum bedeutende Nandi auf, der immerhin das Symboltier der Gottheit Shiva ist. Der Stier für sich wird Vrshan genannt, nur der weiße Stier ist ein Nandi (was „der Glückliche“ heißt). Die Schlange kommt sicher viel öfter vor, als daß man sich ihrer wirklich bewußt werden kann, da sie oft auf das mehr oder weniger Ornamentale reduziert ist, eine Schlangenlinie mit Köpfchen vorne, im Prinzip kann es sogar eine Art Spirale sein, denn die Naga symbolisiert den großen Kreislauf der Zeiten. Diese Kobras gelten als halbgöttlich, sie spielen eine wichtige Rolle und werden in bestimmten Gegenden verehrt. Oft spannen die Nagas – die auch vielköpfig erscheinen – ihren großen Schirm schützend über Gottheiten und – wie man weiß – ist das auch an Buddha zu einer bestimmten Gelegenheit der Fall. Eine Kobra als eine einzelne Bronze – wie in dem unteren Bild – kommt eher seltener vor. Vielleicht war es doch nicht so sehr überzeugend, eine gefährliche Schlange als einen Schutzgenius zu preisen. Von prominenter Erscheinung ist uneingeschränkt der Elefant, in alter Zeit ein ausschließlich den Königen vorbehaltenes Reittier. Er ist ein Sinnbild der Mächtigkeit, des Unbesiegbaren, natürlich auch des Reichtums, aber zugleich auch des ausgeglichen Weisen. Was weniger bekannt ist, aber im Zusammenhang mit der Göttin Danteshvari, die im Kreis dieser Bronzen den Gaja exklusiv als Vahana nützen darf, von Wichtigkeit erscheint – er ist auch ein Symbol der Fruchtbarkeit. Elefanten sollen nämlich den Regen anziehen und man muß sich auch der Göttin Lakshmi erinnern, die sich in so manchen  Darstellungen (nicht im Kreis der Bastarbronzen) von zwei Elefanten begießen läßt. Recht seltsam ist auch, daß der Elefant einmal eine Naga gewesen sein soll, sein Rüssel ist der Grund! Es ergibt sich also ein reizvollst dicht gesponnenes Netz, ein farbiges Gewebe mit vielen verzweigten, natürlich nicht immer gleich einsehbaren Bedeutungen.

NAGA

NAGA

Der Mann, der üblicherweise hinter dem Kopf des Elefanten sitzt, ist der Mahout, der Steuermann. Er hat ein Gerät in Händen, das Ankusha genannt wird, der sogenannte „Stachelstock“, mit dem er den Dickhäuter dirigiert. Bemerkenswert ist nur, daß dieser Ankusha ein Attribut verschiedener Götter sein kann, voran des Skanda, auch des Shiva oder Indra, und des Ganesha. Diese elefantenköpfige Gottheit kommt – als seltene Darstellung – in dem rechten Bild vor, in der er sich mehr als eine Reichtumsgottheit darbietet.

Stehende Göttin

Stehende Göttin

Er hat neben sich nämlich eine Ratte oder eine Nakula, das ist ein Mungo, bekannt als Attribut von u.a. der Reichtumsgottheit Kubera. Wie man weiß, richtet sich das nach der Gegend, ob man in dieser vom Mungo Kenntnis hat oder nicht, von Ratten jedenfalls ziemlich sicher (in Japan beispielsweise ist nur die Ratte das Symboltier der dortigen Reichtumsgottheit). Interessant ist, daß die Nakula über die Schlangen wachen, welche wiederum die Kontrolle über die Schätze in der Erde Tiefe ausüben. Über den Pfau wurde bereits geschrieben, seine zu Spiralen stilisierten Schwanzfedern kommen in diesen Bronzen oft vor. Da der Pfau Unsterblichkeit bedeutet, so sind zwischen seinen „Spiralen“ und den anderen, die auf das „ewige Kreisen“ hinweisen, Zusammenhänge erkennbar. Pferde sind beliebte Bastar-Motive, sie sind Reittiere von Schutzgöttern, die in der Regel eine Klinge oder gleich zwei gezückt halten. Wie weit den Bastar bewußt war, daß Pferde den Wagen des großartigen Sonnengottes Surya ziehen, ist uns natürlich nicht näher bekannt. Pferde können in den Darstellungen aber oft reich geschmückt mit Spiralen sein, wie u.a. die Bronze im Bild unten veranschaulicht. In dieser greift das Tier ungewöhnlich energisch aus, diese Kraft ist auch dem göttlichen Krieger eingepflanzt, eine beeindruckende Geschlossenheit! Tragen Pferde auch noch Achsen mit diesen seltsamen Rädern daran (das Bild “Krieger auf hohen Pferd mit Rädern” bietet das – mit schwer bewaffneter Gottheit auf dem Roß!), dann ist überhaupt ein perfektes „Himmelsfahrzeug“ gegeben.

Krieger zu Pferd

Krieger zu Pferd

Krieger auf hohen Pferd mit Rädern

Krieger auf hohen Pferd mit Rädern

Wie bereits deutlich vermerkt, handelt es sich um keine Spielzeuge, es sind ausschließlich Darstellung, vollkommen vernetzt zu den kultischen Bedürfnissen. Diese Bronzen wurden von eigenen Gießern gefertigt, Spezialisten, die herumzogen, also ambulant vorgingen, die teils aber auch seßhaft waren. Die Bildnisse von diversen, vielfach lokalen Gottheiten, teils auch Gegenständen bzw. Geräten, wurden nur auf Bestellung hergestellt und wurden dann an den heiligen Orten, in Tempeln oder Schreinen bis hin zu kleinen Hausaltären „geopfert“. Dort standen sie nicht ewig, das hätte mit der Zeit die Plätze überfüllt. Es wurde wieder eingeschmolzen und neu geschaffen. Eine neue frische strahlende Ikone (ohne schwärzliche Rußpatina vom Räuchern) hat weitaus mehr Kraft als eine längst vergangene, vergessene, ermattete. Damit hängt zusammen die sehr unterschiedliche Zusammensetzung dieser Bronzen, wie man aus Tabellen von Metallanalysen ablesen kann. Wenn in einer unserer Bronzen von einem vermutlich höheren Gehalt an Zinn und Eisen geschrieben ist, so ist das nur der Farbe des Metalls entnommen. Höherer Zinngehalt zieht immer Eisen mit sich, dessen Anteil dennoch höchstens an die zwei Prozent erreichen kann. Mit dem Magnet ausgerüstet vermag man da gar nichts festzustellen. Natürlich ließe sich darüber mehr schreiben, über Vieles innerhalb dieser kleinen, aber doch erstaunlich eigenartigen Kunst der Bastarbronzen ließe sich weitaus mehr noch berichten oder in Einzelbereichen ausbreiten. Es wird dem Neugierigen sogleich auffallen, daß jede Darstellung anders ist. Es ist also keine serielle Fabrikation gelaufen (so wie das vermutlich heute für den touristischen Abnehmer der Fall sein wird), sondern es wurden Einzelstücke hergestellt, es wurde geschaffen. Das stets Abweichende, immer wieder andersartig Entstehende, das vom starken Glauben an das spirituell Erfüllte beherrschte Hervorbringen, das ist allen diesen Göttern – ob sie nun kerzengerade unter einer bedeutungsvollen Aureole stehen oder beschwingt das Schaukeln durch die Lüfte genießen, ob sie männlich oder weiblich sind, ob martialisch oder perfekt fruchtig – anzusehen. Sie amüsieren uns, sind sogar witzig, sie geraten sogar in stupende Nähe zu parodistischer Deformation – sie verbleiben jedoch stets der Fetisch, der magische Zauber, der in ihrer gottgeweihten Seele steckt, der ihnen alle Kraft verleiht, die sie spiegeln und die zu erfassen vermag. Zusammen mit dem sprühenden Reichtum an Phantasie, der sich hier anbietet und man sich aus unserer Sicht gar nicht leicht tut zu verstehen, was diese Menschen angespornt hat, diese einfallsreich-merkwürdige Welt dieser Bronzeskulpturen immer wieder zu schaffen, lebendig sein zu lassen und zu kreieren, bis in die jüngste Neuzeit. Damit ist das Kapitel aber abgeschlossen. Die heutigen Bronzen sind nicht mehr die alten, auch diese Welt hat ihr Ende gemacht.

Noch ein kurzes Wort zur Sammlung. Es sind genaugenommen zwei, eine große, eine kleinere, die Bronzen aus der kleineren stammen zu einem Gutteil aus der größeren und wurden über unsere Galerie bereits vor Jahren erworben. Die „große Sammlung“ eines Österreichers, der längere Zeit in Indien seinen Beruf ausübte, wurde in den Achtzigerjahren angelegt. Die Abbildung zeigt den Sammler Kaufmann anläßlich eines später erfolgten Besuches in der Region der Bastar. Ein großer Anteil dieser bedeutenden Sammlung an Bastar-Bronzen, aber auch andere Bestände aus dieser privaten Wiener Sammlung befinden sich heute im angesehenen Museum Rietberg in Zürich. Ein kleinerer Teil der Bastar-Sammlung konnte von uns angekauft werden und bildet – wiederum zu einem Teil – die Ihnen vorliegende Auswahl. Es muß noch darauf hingewiesen sein, daß die Möglichkeit, ältere oder sogar alte Bronzen der Bastar – die immer schon selten gewesen sind und zunehmend seltener werden (die relative „Häufigkeit“ in vergangenen Jahren in unserer Galerie wurde ausschließlich von dieser Sammlung versorgt) – damit erschöpft sein wird.

WOLFMAR ZACKEN

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